Mit der deutschen Ratspräsidentschaft, den Verhandlungen über das EU-Budget für die nächsten sieben Jahre und den Europäischen Wiederaufbaufonds stehen viele EU-Themen vor der entscheidenden Phase. Hierzu und zu aktuellen Branchenthemen haben BDWi-Mitglieder mit Daniel Caspary MdEP in einer Videokonferenz diskutiert. Caspary ist Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Die Videokonferenz wurde von BDWi-Präsident Michael H. Heinz moderiert.
EU-Budget und Wiederaufbaufonds
Bei den Verhandlungen zum EU-Budget ist es dem Parlament gelungen, eine Aufstockung um einen deutlich zweistelligen Milliardenbetrag für wichtige Projekte durchzusetzen. Das gilt zum Beispiel für Horizont 2020, das Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation. Beim Wiederaufbaufonds sind die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments verbessert worden, erläuterte Caspary.
Nachhaltige Wirtschaftspolitik und Staatsschuldenkrise
BDWi-Bundesgeschäftsführer Ralf-Michael Löttgen wies auf die immer stärker ansteigende Verschuldung Deutschlands und anderer EU-Mitglieder zur Bewältigung der Corona-Krise hin. Da insbesondere viele südeuropäische Länder auch vor der Krise bereits hoch verschuldet waren, berge die aktuelle Krisenpolitik erhebliche Risiken in sich. Caspary antwortete, dass es wichtig sei bei dem Wiederaufbaufonds darauf zu achten, dass auch wirklich in die Zukunft investiert werde. Das Geld dürfe nicht einfach in die Staatshaushalte fließen. Darüber hinaus müsse es so schnell wie möglich ein Zurück zum Stabilitätspakt geben.
Europäische Impfstrategie
Martin Kujawa (Referent für Politik und Kommunikation beim FORUM der Automatenunternehmer) wies auf die Belastung der Automatenwirtschaft durch die Schließung von Spielhallen und Gastronomiebetrieben hin. Darum sei die Implementierung einer erfolgreichen Impfstrategie für die Branche besonders wichtig.
Caspary antwortete, dass die Europäische Kommission bereits milliardenschwere Verträge mit Pharmaunternehmen abgeschlossen habe. Wichtig sei es, eine europäische Debatte zur Priorisierung von Bevölkerungsgruppen bei den Impfungen anzustoßen.
Mindestlohn
Der Vorschlag der Kommission für einen europäischen Rahmen zu den Mindestlohnen in den Mitgliedsstaaten sende ein falsches Signal zur falschen Zeit, machte Caspary deutlich. Die Zuständigkeit für die Mindestlöhne müsse auch in Zukunft ganz klar bei den Tarifparteien liegen. Bei dem Thema werde mit untauglichen Referenzgrößen wie dem Median agiert. Hinzu käme, dass die Kommission ihre Kompetenzen überschreite. Dass werde bestimmt auf absehbare Zeit vor Gericht überprüft werden.
eFuels und batteriebetriebene Elektromobilität
Wie steht es um die Chancen für synthetische Kraftstoffe, fragte Sarah Schmitt (Leiterin des Hauptstadtbüros des bft - Bundesverband Freier Tankstellen und Unabhängiger Deutscher Mineralölhändler). Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Anrechenbarkeit auf die Flottengrenzwerte der Automobilhersteller. Caspary machte deutlich, dass er eine reine Konzentration auf die batteriebetriebene Elektromobilität ablehne. Eine Anrechenbarkeit von eFuels auf die Flottengrenzwerte sei sinnvoll. Das Prinzip der Technologieoffenheit sei in den CDU-Gremien Konsens. Es ist wichtig, bei dem Thema um politische Mehrheiten zu werben.
Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungen
Die Vermittler von Versicherungen und Finanzdienstleistungen leiden unter der Corona-Krise. Die Unsicherheit der Verbraucher hat zugenommen. Das gilt auch für die Unternehmenskunden. Anja C. Kahlscheuer (Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute – BVK) machte deutlich, dass die Regulierung und damit die Bürokratiebelastung der Branche in den letzten Jahren stark zugenommen habe. Dem stimmte auch Präsident Heinz zu. Er wies auf den Vorschlag eines Belastungsmoratoriums für die Wirtschaft hin. Dieses werde auch von Bundeswirtschaftsminister Altmaier unterstützt. Im Zuge der MiFID-Novellierung drohen zusätzliche Belastungen. Martin Klein (Geschäftsführender Vorstand von VOTUM - Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa) erläuterte in diesem Zusammenhang die geplante Pflicht zur telefonischen Aufzeichnung einer Beratung, obwohl im Anschluss auch weiterhin ein Protokoll angefertigt werden muss. Caspary erklärte, dass der Marktbereich bereits vollkommen überreguliert sei. Viele Bestimmungen, die in den letzten Jahren dazu gekommen seien, schützen den Verbraucher nicht wirklich, verursachen jedoch erhebliche Belastungen bei den Vermittlern.
GAP – gemeinsame europäische Agrarpolitik
Markus Guhl (Hauptgeschäftsführer des Bundes deutscher Baumschulen - BdB) begrüßte den Kompromiss im Europäischen Rat zur GAP (gemeinsamen europäischen Agrarpolitik). Wird der Kompromiss Bestand haben?
Caspary antwortete, dass er sehr optimistisch ist, dass eine Einigung im Trilog-Verfahren gelingt.
Green Deal - passende Bäume für grüne Städte
Guhl kritisierte, dass die Chancen grüner Infrastruktur beim Green Deal nicht ausreichend Berücksichtigung finden. Dabei spielen Bäume eine wichtige Rolle als CO2-Speicher. Denkbar wäre ein CO2-Bonus für Baumschulen. Wichtig sei, dass Thema Adaption stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Dafür müsse man für Städte und Wälder stärker auf Bäume und Pflanzen setzen, die mit den veränderten klimatischen Bedingungen zurechtkämen. Hierzu gibt es ein Konflikt mit den für Naturschutz zuständigen Abteilungen in den Umweltministerien. Caspary erläuterte, dass es in vielen Gemeinden positive Beispiele für den erfolgreichen Einsatz neuer Bäume und Pflanzen gibt. Diese Beispiele können als Best Practise genutzt werden, um politische Überzeugungsarbeit zu leisten.
Brexit
Guhl machte deutlich, dass Großbritannien ein wichtiger Markt für deutsche Baumschulen ist. Ein No-Deal-Brexit wäre eine große Belastung. Caspary hat noch eine Resthoffnung für ein Abkommen. Für die erforderlichen Ratifizierungen sei der Zeitplan aber bereits sehr eng. Für den Handel sei ein Level Playing Field hinsichtlich der Rahmenbedingungen wichtig. Hierzu gäbe es noch keine Einigung.
Bargeld
Dr. Berthold Stoppelkamp (Leiter des Berliner Büros der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste - BDGW) wies darauf hin, dass im Laufe der Corona-Krise viele Einzelhändler und Dienstleister verstärkt für bargeldloses Bezahlen werben oder die Annahme von Bargeld verweigern würden. Dabei hätte die Bundesbank mehrfach darauf hingewiesen, dass die Nutzung von Bargeld keine Coronaansteckungsrisiken mit sich bringe. Ein starker Rückgang der Bargeldnutzung würde die Kosten für die Bargeldbereitstellung deutlich erhöhen. Zudem würden durch die EU-Kommission ständig neue Projekte und Untersuchungen initiiert, die Zukunft des Bargeldes als Zahlungsmittel gefährden. Eine mögliche Gegenmaßnahme wäre eine Verpflichtung an jedem Point of Sale Bargeld anzunehmen. Caspary wies auf die veränderten Zahlungsgewohnheiten in der Gesellschaft hin. Die Verbraucher würden verstärkt bargeldlos zahlen. Es gebe aber keine politische Initiative, die Zahlung mit Bargeld einzuschränken.
Fazit
Präsident Heinz und die BDWi-Teilnehmer bedankten sich bei Caspary für das Gespräch.